Katte fordert Ende der Begutachtung zum Zweck einer Namens- oder Personenstandsänderung
Katte ist 2017 der Initiative der DGTI, der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität bei, alle Bundesländer aufzufordern, die zweifache psychiatrische Begutachtung zum Zweck einer Namens- oder Personenstandsänderung nach §4(3) Transsexuellengesetz durch ein Antragsverfahren ohne eine solche Begutachtung zu ersetzen. Unsere Bitte ist durch ethische und medizinische Fakten gerechtfertigt und folgt den Resolutionen von Europaparlament und Europarat.
Ein transsexueller Mensch ist psychisch gesund und mit über 99% Wahrscheinlichkeit in der Lage seine geschlechtliche Identität selbst richtig zu bestimmen und bedarf deshalb keiner Begutachtung seiner Geschlechtszugehörigkeit.
Die rechtliche Geschlechtszugehörigkeit ist von einer medizinischen Beurteilung derselben durch die Rechtsprechung unabhängig geworden. Das Transsexuellengesetz hat in den 35 Jahren seines Bestehens zahlreiche Änderungen erfahren, denen jeweils höchstrichterliche Entscheidungen zu Grunde liegen. Die Politik in Deutschland hat die berechtigten Anliegen der Betroffenen bisher nicht gehört und die Meinungshoheit über transidente Menschen hatten bis vor wenigen Jahren ausschließlich medizinische Fachgesellschaften inne, deren Mehrheit bislang an der Psychopathologisierung, der Einstufung von „Transsexualität“ als psychische Störung, festgehalten hat.
Hier findet gerade ein Paradigmenwechsel statt. Im Einzelnen: - Die Weltgesundheitsorganisation WHO wird Transsexualität unter dem Begriff Inkongruenz der Geschlechtsidentität (engl. gender incongruence) voraussichtlich ab 2017 nicht mehr als psychische Störung einstufen (Entwurf ICD-11). An der Einstufung außerhalb psychischer Störungen wird sich nichts mehr ändern. - Das Europaparlament hat 2011 die Abschaffung der Einstufung von Transsexualität als psychische Störung gefordert. Frankreich hatte dies bereits 2009 umgesetzt. - Der Europarat hat in seiner Resolution 20483 vom 22.4.2015 mit mehr als 2/3 Mehrheit und den beiden Stimmen aus Deutschland gefordert, eine Überprüfung der psychischen Gesundheit (und nichts anderes sind die im Gesetz geforderten Sachverständigengutachten, die von Psychiatern erstellt werden), zum Zweck der rechtli- 2/3 chen Anerkennung der Geschlechtsidentität (entsprechend Personenstandsänderung nach TSG) abzuschaffen. Weiterhin wird verlangt, dass auch transidente Jugendliche nicht stigmatisiert, also u.a. bei einem Wunsch nach Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität nicht benachteiligt werden. Während in einigen EU Ländern, z.B. Dänemark schon entsprechende Regelungen existierten, wurden diese entsprechend dieser Resolution vorab in Malta (Antragssteller der Resolution) und Irland (15.7.2015) umgesetzt. - Das Fazit einer Studie1 von Mitarbeitern der Universität Frankfurt u.a. (Dr. Meyenburg et al., Zeitschrift für Sexualkunde 28/2015) ist, dass die Gutachter, die transidente Menschen für das TSG Verfahren begutachten es in 99% der Fälle nicht besser als die Begutachteten wissen und man die Begutachtung daher abschaffen kann. Die Studie, bei der 670 Verfahren zum Transsexuellengesetz untersucht wurden ergab, dass bei weniger als 1% der Antragsstellenden ein Gutachten, also Zustimmung zu einer Änderung des Personenstandes, ablehnend beschieden wurde. Darunter sind noch einige Fälle aus der Zeit vor 2011, wo noch ein Zusammenhang zwischen medizinischen Maßnahmen, d.h. vom Gesetz verlangte Unfruchtbarkeit, und der Absicht des Gutachters den Antragssteller vor irreversiblen Maßnahmen schützen zu wollen bestand. Diese Verknüpfung ist durch die Rechtsprechung (BVerfGE 2011 - 1 BvR 3295/07) aufgehoben. D.h. wer seinen Vornamen oder Personenstand ändern möchte, bedarf dafür keiner Medikamente oder einem medizinischen Eingriff. Das bedeutet auch, dass diese juristische Maßnahme keinen Einfluss auf die körperliche Gesundheit eines Antragsstellers hat. Die Zahl der Ablehnungen in der Studie ist daher seit 2011 weiter gesunken. Die Zahl der Rückkehrer, Menschen die sich wieder zum Ausgangspunkt zurück entwickeln wollen und zu einem Zeitpunkt nach der Begutachtung erneut ein TSG Verfahren beantragen, liegt mit unter 0,5% noch niedriger (2005-2015, Fallzahlen Amtsgericht Frankenthal, für Rheinland-Pfalz). Das bedeutet, dass die freie Selbstbestimmung über das eigene Körpergeschlecht in über 99% eine permanente und in psychischer Gesundheit getroffene Entscheidung ist. - Die psychiatrische Begutachtung wird von den Antragsstellern als belastend und die Intimsphäre verletzend angesehen. Aktuell sind 21% der transidenten Menschen in Deutschland arbeitslos1 , überdurchschnittlich prekär beschäftigt oder aus anderen Gründen wirtschaftlich nicht in der Lage, die Gutachten selbst zu bezahlen. Da transidente Menschen die Arbeit haben, mehrfach häufiger als der Bevölkerungsdurchschnitt unter ihrer Qualifikation arbeiten4,5 und ein geringeres Einkommen knapp über den Grenzen für einen Anspruch auf Prozesskostenbeihilfe haben, besteht durch die erzwungene Zahlung von bis zu 3000€ für beide Gutachten eine strukturelle Diskriminierung. Empfehlung zur Umsetzung Wir empfehlen entsprechend der Europaratsresolution 2048 auch bei Kindern und Jugendlichen auf die Begutachtung zu verzichten, es sei denn, dass zwischen Erziehungsberechtigten und Kind Uneinigkeit bezüglich der Beantragung einer Personenstandsänderung besteht. Jugendliche ab 14 Jahren sollen ein eigenes Antragsund Widerspruchsrecht haben, Kinder unter 14 Jahren ein Widerspruchsrecht. An dieser Stelle weisen wir darauf hin, dass es auch bei der bestehenden Rechtslage keine Altersgrenze nach unten gibt. Da die Organisationen von Trans* Menschen eine Warte- oder Karenzzeit bis zur Ausführung eines Antrags zur Namens- /Personenstandsänderung mit großer Mehrheit ablehnen, empfehlen wir darauf zu verzichten. Da die Fähigkeit zur Selbstbestimmung der Geschlechtsidentität bei durchschnittlich 8,5 Jahren liegt (Olson, Journal of Adolescent Health 7/2015)2 , empfehlen wir im Zweifelsfall dem Kind die Entscheidung zu überlassen. Da auch hier keine medizinischen Maßnahmen verknüpft sind sehen wir das Risiko der Schädigung des Kindewohls als gering an. Wir empfehlen für den Fall der Uneinigkeit von Erziehungsberechtigen und Kind, auf die Unabhängigkeit und Neutralität der Gutachter zu achten. Gutachter, die die Existenz von Transsexualität bei Kindern und Jugendlichen oder gar Erwachsenen in Abrede stellen, sind mit Sicherheit nicht neutral. Prüfstein soll hierfür die Akzeptanz der weltweiten Standards of Care der WPATH, World Professionals Association on Transgender Health in der jeweils aktuellen Version sein, die von den meisten Therapeuten und Gutachtern auch in Deutschland akzeptiert werden. |