2011: Anhörung im Sozialausschuß LT BRB |
(gayBrandenburg - 09/2011) Carsten Bock ist überpünktlich. 13 Minuten vor dem Termin. Ein kleines Wunder vorab. Deshalb also Zeit für einen kurzen Plausch mit Constanze Körner vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD). Es ist einer der Termine, die würdig sind eine Zeitmarke zu sein. In jedem Falle werden in den Memoiren von LSBT-Aktivisten, diese Sitzung des Sozialausschuss des Brandenburger Landtages, in der zum Gleichstellungsgesetz angehört wurde, mehr als zwei Sätze der Erinnerung einnehmen. Birgit Wöllert, Vorsitzende des Ausschuss Arbeit, Soziales und Frauen, hat Mühe politisch korrekt zu begrüßen: “Hier steht Bündnis Freies Brandenburg - Landesverband Lesben, Schwule und Trans*. Trans* ist richtig, ja?” Nicken bei Carsten Bock, der als Katte-Vorstand auch einen der 5 Vorstandsposten im Bündnis Faires Brandenburg innehat. Sichtbare Erleichterung bei der Tagungsleitung. Ein CDU-Mitarbeiter weiss auf welcher Veranstaltung er sich befindet: “Ach es geht ja um Lebenspartnerschaft.” Wolfgang Schroeder, Staatssekretär im Sozialministerium, ist süffisant: “Wir haben nichts dagegen, wenn Du Dich verpartnerst.”
Im Jahr Zehn der Einführung der "Homo-Ehe", hat sich die Rot-Rote Koalition entschlossen, die eingetragene Lebenspartnerschaft mit der Ehe im brandenburgischen Landesrecht vollständig gleichzustellen. Der zuständige Ausschuss lädt nun zur Anhörung über das neue Gesetz ein. Großer Widerstand ist nicht zu erwarten. Das war vor zehn Jahren anders. Damals 2001, war es der CDU-Abgeordnete Petke, der als “Wadenbeißer” von Innenminister und Hardliner Jörg Schönbohm, für die erste schwul-lesbische Demonstration in Brandenburg, mit einer Äußerung in einer Potsdamer Tageszeitung sorgte. “Es kann nicht sein, dass 9:00 Uhr Paul und Paula vor dem Standesamt heiraten und 9:15 Horst und Horst”. Diesmal ist auch Matthias Steuckardt von den Lesben und Schwulen in der Union (LSU), auf Einladung der CDU-Landtagsfraktion, bei der Anhörung dabei. Zeitenwandel bei der märkischen Union. Viele Änderungswünsche am Gesetzesentwurf gibt es seitens der geladenen Homoverbände nicht. Einzig die Frage der Fristenregelung will man noch einmal den Abgeordneten ans Herz legen. Genauer gesagt, wie weit rückwirkend die Gleichstellung durch das Land denn jetzt gemeint ist. Gilt die Gleichstellung erst ab jetzt, wie im Gesetzentwurf vermerkt oder wie die Urteile des Europäischen Gerichtshofes den Gesetzesmachern des brandenburgischen Parlaments nahelegen, weitestgehend rückwirkend? Die Abgeordneten wollen sich jedenfalls nicht mit den Richtern aus Brüssel anlegen. Die Nachfragen von Ursula Nonnemacher (Bündnis 90/ Die Grünen) und Dr. Sieglinde Heppener (SPD) lassen es erahnen. Dass mit dem Gesetzentwurf noch nicht alles “in märkischer Butter” ist, meint Constanze Körner vom LSVD. Sie berichtete über ihre Erfahrungen bei der Beratung von Regenbogenfamilien aus Brandenburg. Diese würden vornehmlich Berliner Angebote aufsuchen, da es im Land keine adäquaten Angebote gäbe. Immer wieder überlegten lesbische und schwule Paare nach Berlin zu ziehen, da sie in ihren Heimatgemeinden “Mobbing” erführen und für ihre Kinder dasselbe befürchten. Bildhaft macht sie auch auf die weiterhin bestehende Diskriminierung durch Bundesrecht am Beispiel eines lesbischen Paares mit einem Kind deutlich. Mit der jetzigen steuerrechtlichen Regelung zahlt dieses Paar bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von 3.000 Euro immer noch 300 Euro mehr an das Finanzamt, als heterosexuelle Eheleute mit Kind. An dieser Stelle waren die Abgeordneten des Ausschusses emotional gleichgestellt. Steuern und Familie geht alle etwas an. Der Multifunktionalist und Katte-Vorstand Bock hatte es da wesentlich schwerer. Bekannt für detaillierte Vorträge, musste er seine Antwort im Namen des Bündnisses Faires Brandenburg, wie alle anderen auch, in zehn Minuten Redezeit verpacken. Für Bock, der auch Bundessprecher des AK LSBT in der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ist, eine Herausforderung. In einem engagierten Power-Vortrag machte er auf die Möglichkeit einer erneuten Initiierung einer Bundesratsinitiative zur Erweiterung des Artikels 3 des Grundgesetzes aufmerksam. Dies wäre ein notwendiger Schritt um die endgültige Gleichstellung der Minderheit zu erreichen und es wäre ein wichtiger Schritt hin zu umfassender gesellschaftliche Akzeptanz. Luft holt der Mann dabei nicht. Denn wenn es um Minderheiten auf Grund der sexuellen Identität geht, dürfe man auch die transidenten Menschen nicht vergessen. Das leidige Vornamensrecht müsse endlich neu geregelt werden. Ziel muss es sein den unsinnigen Gutachterzwang bei der Vornamensänderung zu beseitigen. Damit aber nicht genug. Da wären auch noch die Intersexuellen. Beispielhaft erklärt Bock, das eine Novellierung des Transsexuellengesetzes (TSG) und insbesondere eine Vereinfachung des Namensrechtes auch vorteilhaft für Intersexuelle wäre. Viel Stoff für die Abgeordneten. Gott sei Dank können die Abgeordneten, die einzelnen Stellungnahmen der Verbände, nachlesen. Aus diesem Grund bleibt die hochinteressante Frage nach der Notwendigkeit der strukturellen Förderung zur Umsetzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes nicht unbeantwortet. Ein Thema welches auch Lars Bergmann, Leiter der Landekoordinierungsstelle für LesBiSchwule Belange des Landes Brandenburg, umtreibt. Hier wartet er mit einer überraschenden Erkenntnis auf. “Sein Projekt” sei das einzige, welche mit einer Personalstelle durch das Land gefördert würde. Im Namen seines Trägervereins, AndersARTiG e. V. erkennt er erstmals an, dass es daneben auch viele andere Projekte gibt, die der Prävention und Beratung von Homosexuellen in Brandenburg dienen. Glaubhaft bedauerte er die daraus resultierenden “Verteilungskämpfe”. Bei dieser Frage ergriff dann der Fraktionsvorsitzende der FDP, Andreas Büttner, das Wort. Denn wenn es um Antidiskriminierung gehe, wären es ja die Vereine in den Regionen, die für einen gesellschaftlichen Wandel sorgen würden. Als leuchtendes Beispiel nannte er den Verein UM QUEER aus der Uckermark. Dieser würde mit Veranstaltungen homosexuelle Lebensweisen im ländlichen Raum sichtbar und erlebbar machen. Damit sprach Büttner wiederum Jirka Witschak, aus dem Herzen. Der hatte 2001 die Protestaktion für die “Homo-Ehe vor dem Standesamt” organisiert. Jetzt zehn Jahre später bearbeitete er die Zielevereinbarung “Raus aus der Grauzone” des Bündnisses Faires Brandenburg redaktionell. “ Es ist schön zu sehen, dass Abgeordnete sich zunehmend von bisheriger plakativer Politik zu Homosexuellenfragen verabschieden und die Interessen ihrer schwulen und lesbischen Bevölkerung aus ihrer Region vertreten.” Zeitenwandel für ein faireres und offeneres Brandenburg. |